In den Exempel Schlafstuben in Tangermünde hat der Gast die Qual der Wahl. Jedes der 18 Themenzimmer im Hotel ist ein Unikat, jedes erlaubt eine Zeitreise in eine andere Ära. Soll es die Schlafstube der Jungfer Emerentia Lorenz sein? Das Mädchen wurde der Sage nach in grauer Vorzeit von einem Hirsch gerettet. Oder vielleicht Grete Mindes Brandruine? Hier erinnern verkohlte Wände und verrußte Balken an das Jahr 1617, als man der jungen Frau die Schuld für einen verheerenden Stadtbrand in die Schuhe schob. Winsels Folterkammer versetzt die Gäste mit Lehmwänden und mittelalterlichem Inventar gar zurück in die Zeit um 1200. Und in Wallensteins Lager campieren die Besucher wie müde Krieger auf Feldbetten.
Mir sind die Exempel Schlafstuben schon bei meinem allerersten Besuch in Tangermünde aufgefallen. Gegenüber dem gewaltigen Westwerk der Stephanskirche sieht das pittoreske Fachwerkensemble geradezu niedlich aus. Die ganze Szenerie wirkt auf mich wie aus einem Kinderbuch. Einfach zauberhaft!
Umso größer meine Freude, als ich bei meinem zweiten Aufenthalt in Tangermünde erfahre, dass ich in den Exempel Schlafstuben nächtigen werde. Tiemo Schönwald, Chef des Hotels, bringt mich höchstpersönlich in mein Gemach. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf dem Weg nach oben entschuldigt er sich noch, kein weiblicheres Zimmer mehr frei zu haben.
Zimmer
Meine Spannung hat den Höhepunkt erreicht, als Tiemo Schönwald die von außen schmucklose Zimmertür aufschließt. Dahinter liegt das Kaiser Karl Gemach und ich falle fast um! Und nein, nicht vor Müdigkeit. Obwohl das riesige Himmelbett mit gedrehten Bettpfosten und Baldachin so verlockend aussieht, dass ich es am liebsten sofort ausprobieren würde.
Stattdessen zieht ein hölzerner Badezuber direkt neben dem Nachttisch meine Aufmerksamkeit auf sich! Einladend liegen Handtücher auf dem Bord neben dem Zuber. Fehlt nur noch das Badewasser.
Doch im Moment bleibt keine Zeit, ein Bad zu nehmen oder all die liebevollen, mittelalterlichen Details im Zimmer zu bewundern, geschweige denn, das Burgfräulein-Gefühl zu genießen. Auf mich wartet das Abendessen in den benachbarten Exempel Gaststuben. Als ich eines der großen Fenster zum Stadtbrunnen an der Roßpforte öffne, sehe ich, dass die Kellnerin ein paar Gläser des legendären Kuhschwanzbiers auf unseren Tisch stellt. Es gilt also, sich zu sputen.
Bad und Thron
Erst spät am Abend finde ich Gelegenheit, das herrschaftliche Schlafgemach zu erkunden. Im Bad entdecke ich, dass die aus Basalt- und Feldsteinen gemauerte Waschrinne seitlich auf den Boden entwässert. Das Geplätscher entzückt mich genauso wie die historisch gemusterten Fliesen an der Duschwand und der teilweise gepflasterte Boden im Zimmer.
Schließlich muss ich noch den erhöht stehenden Thron ausprobieren. Er kann durch einen nicht ganz blickdichten Vorhang vom Schlafzimmer abgetrennt werden kann. In diesem Falle wäre allerdings die Aussicht durchs Fenster auf den Kirchplatz verdeckt. Letztlich entscheide ich mich aber doch gegen das Panorama mit der angestrahlten Stephanskirche. Mein Gedanke: Wenn ich die Menschen auf dem Platz sehe, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie mich auch sehen. Und das will ich dann doch nicht.
Einige Zeit verbringe ich noch damit, das Betätigungselement für die Klospülung zu suchen. Es ist perfekt versteckt, um die Illusion des Throns nicht zu stören. Mehr verrate ich an dieser Stelle nicht. Jeder möge selbst zusehen, wo er es findet.
Bett
Dann versinke ich endlich in diesem herrlichen Bett. In Null-Komma-nichts sind mir die Augen zugefallen. Ich schlafe himmlisch und werde am nächsten Morgen von der Sonne geweckt, die zwischen den Vorhängen hindurchlugt und meine Nase kitzelt.
Während ich die heiße Dusche genieße, wird mir klar, wie viel Herzblut die Eigentümerfamilie Schönwald in dieses Hotel eingebracht hat. „Eigentlich wollten wir gar kein Hotel bauen“, hat Tiemo Schönwald am Vorabend gesagt. Doch die Möglichkeit, ein außergewöhnliches Objekt zu schaffen, das perfekt an diese exponierte Stelle von Tangermünde passt, war zu verlockend.
Frühstück
Zum frühstücken verlasse ich schweren Herzens Kaiser Karls Gemach. Im Café „Zipfel“ im Erdgeschoss des Hotels ist ein Buffet aufgebaut, das seinesgleichen lange suchen kann. Liebevoll zubereitete Eier- und Fleischsalate in vielen Variationen, Antipasti, frisches Obst und Gemüse, selbstgemachte Marmeladen, frische Brötchen, knuspriges Brot und selbst gebackene Kuchen – welch eine Auswahl! Dazu Kaffee und Tee satt. Hier könnte ich stundenlang sitzen, durch die geöffnete Fensterwand die Passanten auf der Straße beobachten und am Buffet einen um den anderen Teller füllen.
Das Geschirr des Cafés könnte übrigens aus Omas Küchenschrank stammen. Und wer weiß, vielleicht tut es das auch. Denn Oma selbst kommt auch vorbei, während ich hier beim Frühstück sitze. Es ist Erika Schönwald. Tiemo Schönwalds Mutter war an der Gründung des Familienunternehmens Erlebenswert GbR maßgeblich beteiligt und hat selbst Hand angelegt, als es darum ging, ein baufälliges Fachwerkgebäude in das Restaurant Exempel Gaststuben zu verwandeln.
Die Erlebenswert GbR
Tiemo Schönwald ist Mitgründer und einer der Geschäftsführer der Erlebenswert GbR. „Unser Ziel ist, Tangermünder Geschichte erlebbar zu machen“, sagt er zum Konzept der Schönwald’schen Gastronomie und Hotellerie. Zum Familienunternehmen zählen neben den Exempel Schlafstuben und dem Café Zipfel die Exempel Gaststuben in der ehemaligen Schule nebenan, die Zecherei St. Nikolai, das Quartier Langer Hals und das „Artificium“ neben dem Café Zipfel.
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Tangermünder Spezialitäten wie der hauseigene Kräuterlikör „Grete Mindes Kräutertinktur“, die große Tangermünder Nährstange, Kuhschwanzbier und Bollenmarmelade – eine Zwiebelmarmelade, die wunderbar zum Käse schmeckt – sind online im online-Shop erhältlich. Hier gibt es auch schöne Geschenke.
Alle Fotos: Beate Ziehres
Im Rahmen meiner Reise durch die Altmark als Altmarkbloggerin war ich zur Übernachtung im Hotel Exempel Schlafstuben eingeladen. Meine Meinung wurde davon nicht beeinflusst.
Sehr schön geschrieben. Danke
Gern geschehen! Und die ganze Wahrheit ;-). LG!